Das Zeichnen gilt als ursprünglichste unserer abstrakten Ausdrucksformen. Wir staunen über die Höhlenmalereien der Urzeit oder darüber, daß wir uns weltweit trotz verschiedenster Sprachen und Kulturen mit wenigen Symbolen und ikonischen Ausdrücken verständigen können. Und welch ein Aha-Erlebnis, wenn wir aus wenigen Bleistiftstrichen erkennen, was die Andere uns gerade mitteilen will! Kein Wunder, daß das Zeichnen die Spielewelt erobert hat, und zwar schon längst vor der digitalen (mit ihren Icons, Smileys und Emojis). Von kleinen Kritzeleien in der Schulstunde oder beim Warten im Restaurant à la “Käsekästchen”, “Tic-Tac-Toe”, “Misthaufen” und “Schiffe versenken” bis zum Partyknaller rund um’s Begriffe Raten (bzw. Erklären), ob koop oder kompetitiv – es hält uns im Bann, sorgt für kreative Stunden und Heiterkeit ohne Ende*. (*Stichwort: “Tee-Nager”)
Pictionary (Parker 1993/Mattel 2014)
“Pictionary” ist der Partyspiel-Klassiker rund um’s Zeichnen – mittlerweile in mehreren Auflagen und Variationen. In verschiedenen (meist 2er-) Teams treten die Spielerinnen gegeneinander an, um mittels des wechselseitigen Erklärens und Erratens von Begriffen Punkte zu ergattern oder (wenn man es besonders kompetitiv mag) einen Spielplan zu umrunden. Das läuft in der Ur-Variante noch mit lockeren Regeln ab: Es gibt reichlich Zeit; man darf so oft raten, wie man möchte; Hinweise zu geben (“Ja, ja, auf dieser Spur weiter!”) ist nicht direkt verboten… Hier kann jede Runde natürlich für sich nachschärfen – vor allem, wenn die Karten schon hinlänglich vertraut sind.
Abwechselnd erklärt eine Partnerin schweigend mit Bleistift und Papier, während die andere raten muß, was da gezeichnet wird. Besonders witzig wird das Ganze durch die zahlreichen heftigen Abstrakta, bei denen Zeichnerin und Raterin erst um die Ecke denken müssen, um überhaupt eine Visualisierung einschl. des Rückwegs zu finden; gemein sind auch die Verben. Und der “Alle spielen!” Modus bringt besondere Würze, wenn entweder alle Teams gleichzeitig agieren oder alle gleichzeitig raten dürfen.
Neueste Variante aus der Deppenschmiede Mattel (Die Firma steht für Highlights wie “Mr. Pups”, “Mr. Kacka” und “Pipi-Alarm”! Auf der SPIEL in Essen sorgt ihre Präsenz jedes Jahr für gewissen Unmut unter den Besuchern, aber als einem der größten – und skandalunwittertsten – Retailer von Spielwaren v.a. im Plastikbereich kann man ihr das Zahlen für den Stellplatz nicht verbieten.) ist “Pictionary Air” mit allerlei Technik-Crossover-Klimbim. Hier zeichnet die Erklärerin nur in die Luft und sieht selbst nicht ihr Werk, kann es auch nicht (oder nur mühevoll) korrigieren. Aus dem entstehenden Fadengewirr des Monitors dürfen die Betrachter dann den Begriff erraten. Etwas für Technik-Affine und Modebegeisterte, auch wenn die Idee an sich nicht verkehrt ist.
Party-Spiele wie “Activity” (besonders beliebt in den “Erwachsenen”-Versionen 18+) variieren das Zeichen-Thema und kombinieren es mit allerlei anderen Ausdrucksformen wie etwa Lautmalerei, Standbild, Pantomime usw., um Begriffe zu gestalten.
The Cat Game – Das haarsträubende Zeichenspiel (Spin Master 2018)
Der Mode des (abwaschbaren) Whiteboardmarkers (jetzt überall anzutreffen, z.B. im Spiel des Jahres 2019 “Just One”) verdanken wir eine Erweiterung des “Erklären-durch-Zeichnen”-Modus: Unter transparenten Folien werden schon vorhandene Bildchen aufgereiht, die die eigene Strich-Kunst dann nur noch abwandeln, erweitern und kombinieren muß. Dafür kann man natürlich eigene Shilouetten, Baby-Bilder oder Comic-Figuren nehmen. In der Schachtel finden wir zu diesem Zweck 15 ur-komische und süße Katzen-Photos in allen möglichen Posen. Eine starke Idee! Kleiner Kritikpunkt: Die zu erklärenden Begriffe sind ein wenig zu modisch und neu-sprech-artig geraten; Kinder können oft gar nichts damit anfangen, wenn sie nicht viel RTL oder RTL 2 sehen. Dem läßt sich mit einfachen Tabu- oder Pictionary-Karten jedoch leicht abhelfen.
Subtext (Edition Spielwiese/Pegasus 2019)
Das kleine Party-Spiel von Viel-Autor Wolfgang Warsch hat es in sich, denn ein paar Regel-Kniffe heben es aus der grauen Menge der “Pictionary”-Klone wohltuend heraus: Außer der Erklärerin erhält Jede am Tisch eine Begriffskarte und darf dazu ein Kunstwerk (alternativ: Ein Wort- oder Textfragment nach “Just-One”-Prinzip) anfertigen. Die Picasso-Karte wird dabei weitergegeben, so daß zwei Leute den gleichen Begriff darstellen. Der muß dabei gar nicht unbedingt erraten werden; es geht für die Runde nur darum festzustellen, wer die geheime Partnerin der Erklärbärin ist, welche beiden also die Picasso-Karte hatten!
Das bringt viel Witz und noch mehr Skill, denn zu offensichtlich darf man sich hier nicht outen – es läuft (anders als bei Just One) kompetitiv ab! Wie schwammig kann ich also bleiben, um Andere auf falsche Fährten zu locken – und wie eindeutig-subtextig muß ich sein, damit meine Partnerin mich erkennt? Auch hier bescheren die Abstrakta und Verben einen besonderen Reiz. Tip: Nicht zu ernst nehmen! Bei dieser Art von Spielen geht es nicht ums “Gewinnen”, sondern um den Spaß!
Identik/Meisterwerke (Asmodee 2009)
Wer es richtig crazy mag, ist richtig bei Identik (so der ursprüngliche internationale Titel, neu aufgelegt und leicht lokalisiert unter “Meisterwerke” bzw. frz. “Duplik”). Hier zieht die Erklärerin ein schon fertiges Kunstwerk samt Titel, das sie in kurzer Zeit möglichst detailgetreu zu beschreiben hat. Die Anderen hören und lauschen – und bringen zu Papier, was ihnen da vorgegeben wird, so daß am Ende eine Reihe von Duplikaten auf dem Tisch zu finden ist. Oder etwa nicht? Natürlich reicht die Zeit nie aus, und was da zustandekommt, sind oft wirklich höchst witzige und anspruchsvolle, aber doch armselige Versuche, sich dem Ursprungswerk anzunähern. Hier gibt es schon den ersten Lach-Erfolg.
Dann folgt der Ableich mit dem Original. Und jetzt die gute Nachricht: Es geht nicht um Exaktheit! Um küstlerisches Vermögen schon gar nicht oder ästhetischen Ausdruck. Es kommt nur auf ein paar (i.d.R. zehn) Merkmale an, die man während der Schnellzeichenrunde möglichst berücksichtigt und entsprechend eingebaut haben möchte – weil man sie noch im Ohr hatte, weil sie einem vor Augen standen oder einfach aus Zufall.
Auch hier gilt: Es geht um den Spaß! Wer hauptsächlich gewinnen will, greift zu “Mensch-ärgere-dich-nicht”. Denn die “Bewertungen” der einzelnen Machwerke nach den gegebenen Kriterien fällt naturgemäß doch reichlich subjektiv aus: Sollen das 3 Haare sein, oder ist eins davon doch nur Fliegendreck? Wer sich mit reichlich Humor darauf einläßt, wird mit einem spannenen und witzigen Abend beschenkt.
Der Titel gilt als vergriffen; wer durch Glück darauf zukommt, macht nichts verkehrt! Das gilt erst recht für die Zuatzkarten-Erweiterungen.