We’re doomed (Breaking Games 2019)

Hier kommt ein Titel für Satire-Fans, Apokalyptiker und die wirklich bösen Buben (und die es gern einmal wären) – nicht ganz ernstzunehmen; bitterböse – und doch mit Spaß-Faktor. Semi-Koop rulez – der soziale Faktor dieser Spielvariante mit Betrayal-Funktion ist in den letzten paar Jahren immer beliebter geworden und findet sich inzwischen in nahezu allen satirischen Genres (in denen es eh meist um die Apokalypse geht, ob nun mit Zombies oder Manga-Nazis) und sogar in Kreativ- und Kommunikationstiteln wie “Obscurio” (Libellud/Asmodee 2019: Ein “Mysterium” mit – eben! – Semi-Koop-Betrayal) und “When I dream” (Repos/Asmodee 2017). “We’re doomed” treibt ihn auf die Spitze.

Die Menschheit hat fertig. Sie hat’s geschafft, hat sich über den Rand des Untergangs manövriert. Jetzt hilft nur noch die Fluchtrakete. Problem: Die hebt nur ab, wenn alle, die sich bisher waffenstarrend an die Gurgel gingen und sich gegenseitig zur Pest des Planeten erklärten, irgendwie zusammenarbeiten. Schließlich kann Jede-/r etwas Spezielles beisteuern, etwas Unverzichtbares wie Forschung oder Material. Aber wer denkt pünktlich genug an sich selbst und drängelt beizeiten auf die raren Plätze? Und wer bleibt auf der Strecke oder wird vorher (ganz aus dem Spiel) genuked? Um die Welt zu retten, ist es zu spät – jetzt geht’s um den eigenen Hintern. Und dafür gibt es – Magic Maze läßt grüßen – gerade mal 15 Minuten.

Semikooperatives Renn- und Rettungsspiel

Ernsthaftigkeit: 0

Interaktion: 5

Spannung: 5

Magic – the Gathering (Wizards of the Coast/Hasbro 1994 ff.)

Das Medium “Spiel” ist in aller Munde. Sein pädagogischer Wert für Jung und Alt kann gar nicht überschätzt werden. Spielerinnen und Spieler trainieren Gemeinschaft, Logik, Kommunikation, Strategie, Regelverständnis und eine ganze weitere Palette geistiger und emotionaler Ressourcen. Auch religiöse Themen kommen nicht zu kurz.

Die Retziner Ludothek, höchstwahrscheinlich die größte Spiele-Sammlung im Landkreis, hat kräftig Nachwuchs bekommen. Sie steht uns für Gemeinschafts- und für Bildungszwecke offen. Probieren wir die neuesten Kennerspiel-Highlights, die bewährten Eurogame-Klassiker und zahlreiche Kooperations- und Kommunikationstitel aus!

Die meisten Spiele richten sich an 2-5 Spielerinnen; gößere Runden können sich anpassen, Teams bilden oder Verschiedenes gleichzeitig testen. Theoretische Vertiefungen bereichern unsere Abende. Die vorgestellten Titel bilden nur Vorschläge; die Runde entscheidet jeweils selbst, was auf den Tisch kommt. Herzlich willkommen!


Das Sammelkartenspiel von Richard Garfield wurde jüngst zum komplexesten Spiel aller Zeiten gekürt: Computern ist eine Vorhersage von Partie-Ausgängen nicht grundsätzlich möglich! Wir verfügen über (selbstgebauten) Übungsdecks ohne volle Spielmechanik, vorkonstruierte Themen- und Planeswalker-Decks, die vorkonstruierten Commander-Decks aus den letzten Jahren sowie jede Menge Einzelkarten für Standard- und Historic-Formate. Booster-Draft und Box-Sealed sind mit etwas Vorbereitung ebenfalls möglich. Jederzeit Einführungskurse und (Casual)-Turniere auf Anfrage! Zum Üben empfehlenswert: Die digitale Version “Magic- the Gathering: Arena”.

Komplexität/Anspruch: 5

Flair: 4-5 (Real-Life-Karten sind seit dem Einsatz von CGI mitunter von eingeschränkter Qualität)

Bildungsfaktor: 5

Agricola (Lookout 2007)

2007 veröffentlichte der bislang für das lustige, aber eher simple “Bohnanza” bekannte Uwe Rosenberg diesen schlechthinnigen Ur-Knaller des deutschsprachigen komplexen Kennerspiels und wurde schon im Jahr darauf mit Preisen überhäuft. Bis heute existieren Weltmeisterschaften und Taktik-Schmieden, die permanent (und angeregt durch neue Kartendeck-Erweiterungen) Strategiehifen entwickeln. Dabei ist “Agricola” nicht sonderlich kompliziert. Es gilt, einen Bauernhof zu bewirtschaften: Felder zu bestellen und Vieh zu züchten. Da man (anfangs) nur zwei Möglichkeiten aus einer größeren Reihe von Rohstoff-, Ausbau- und Aktionsfeldern nutzen kann, geht es auch recht zügig. Aber – und das macht den Reiz hervorragender Euro-Titel aus: Es ist schwer zu beherrschen!

Denn neben den täglichen Aufgaben, um an Zählbares zu kommen, herrscht auch der Mangel. Eure Bauernfamilie will ernährt werden, und das kostet schon eine Vielzahl der Mohrrüben und der Lämmer! Unterstützung findet ihr durch Ausbau- und Entwicklungskarten, die jedoch einen ausgewogenen Einsatz verlangen. Auch die Spieler-Reihenfolge wirkt sich zuweilen stark aus.

Wer am Ende die meisten Kinder, das gemütlichste Haus, fertige und bestallte Weiden und die meisten Feldfrüchte und Tiere sein Eigen nennt, erhält den Lorbeerkranz. Wir laden ein, diesen absoluten Klassiker und Tür-Öffner für die Welt des Kennerspiels auszuprobieren!

Spielmechanik: Arbeiter-Einsetz über Aktionsfelder

Design: 3

Ausgewogenheit: (je nach verwendetem Kartensatz) 2-5

Anspruch: 4

Gesamtwertung: 5

Concordia Venus (PD-Verlag 2013/2018)

Mac Gerdts bringt seine Titel seit Jahren selbständig im PD-Verlag heraus. Mit “Concordia” gelang ihm 2013 ein schnell aufgebauter Dauerbrenner, der mittlerweile in zahllosen Varianten (heißt: Auf neuen Landkarten) erhältlich ist. Die neueste Erweiterung heißt “Venus” und ist als eigenständiges Spiel konzipiert (Stand-Alone), aber auch als Team-Variante. Es handelt sich um ein – nahezu – friedliches (aber nicht kooperatives) Entwicklungsspiel: Es gilt, im Römischen Reich zu Land und zur See ein Handelsnetz von Kontoren aufzubauen, um Ressourcen wie Marmor, Tuch und Getreide zu erzeugen. Dazu müssen hilfreiche Präfekten, Mercurios, Senatores u.v.a.m. angeheuert werden, die am Ende auch für die Gunst der Götter entscheidend sind.

Überzeugend und raffiniert ist vor allem die Spielsteuerung durch Aktionskarten-Decks, deren Besitz und Zusammensetzung am Ende auch über die Verteilung der Siegpunkte entscheiden. So bleibt es schwer einzuschätzen, wer gerade “die Nase vorn” hat. Auch wer es nicht schafft, alle Kontore zu verbauen oder alle Provinzen zu besiedeln, kann am Ende durch “Minerva” oder “Merkur” überraschend absahnen.

Mechanik: Aktionskarten-Deck, Ressourcenmanagement

Optik: 4

Anspruch/Komplexität: 2

Interaktion: 1

Gesamtwertung: 5

AGRA (Quined Games 2017)

Dieses Arbeiter-Einsetz-Kennerspiel von 2017 spaltet die Spielergemeinde. Optisch und mechanisch überragend, stören sich manche Rezensenten an der komplizierten Verzahnung und der Unübersichtlichkeit. Tatsächlich stellt diese ein gewisses Manko dar, gerade für Ungeübte. Der Aufsetzplan erweist sich als unpraktisch (da die Pöppel dauernd umstürzen); man läßt ihn am besten in der Horizonalen. Die Aktionsfelder (Häuser) sind schwer zu unterscheiden. Vor allem erweist sich das gut gedachte Ressourcen-Umtauschsystem als vollkommen unintuitiv: Ressourcenmarker in Spielerfarbe wechseln ihre Qualität je nach Lagerstandort. So wird aus Kurkuma ein Lebensmittel oder ein Farbstoff und später ein Gemälde, wobei die Marker sich nicht ändern, sondern nur den Ort wechseln. Da sind die Multi-Papplättchen (etwa aus Ora & Labora) für den Noch-Nicht-Experten doch bedienfreundlicher.

Auf der anderen Seite bietet “Agra” aber so viel Flair und Faszination wie kaum ein Titel aus der jüngeren Euro-Ära. Das Gewinnen ist am Ende gar nicht so entscheidend wie die ständige Suche nach Optimierungs- und Steigerungsmöglichkeiten, die durch die Mechaniken-Verzahnung auf vielfältigste Weise gegeben sind.

Einen erfahrenen Regelkenner in der Runde vorausgesetzt, wird “Agra” lange fesseln und Freude bereiten.

Mechanik: Arbeiter-Einsetz-Steuerung und Ressourcenmanagement

Optik & Haptik: 5

Interaktion: 1

Übersichtlichkeit: 1

Gesamtwertung: 4

Steam / Age of Steam (Phalanx 2009 / Eagle 2002 ff.)

Martin Wallace ist einer der ganz Großen der internationalen Spiele-Szene. Sowohl im klassischen Euro-Bereich kennt er sich aus als auch bei thematisch herausragenden Adaptionen des “real life”. Beides kreuzt sich in seinem Eisenbahn-Klassiker “Age of Steam” von 2002. Eine etwas angepaßte Variante erschien, u.a. auf deutsch, 2009 unter dem Titel “Steam”.

Eisenbahnen wirken als natürliche Lockstoffe für Spiele-Fans. Aber es ist offenar nicht so einfach, einen guten ansprechenden Titel zu kreieren, der ausreichend Phantasie für Gestaltungsspielraum und Detailtreue läßt – und gleichzeitig im Definitionsrahmen eines Euro-Games bleibt. Der britische Autor hat an seiner Variante selbst vielfach herumgeschraubt, so daß Steam/Age of Steam heute wohl stolz auf mit die meisten Varianten und Erweiterungen sein kann, wenn diese sich auch weitgehend auf ausgefallene Spielpläne plus Sonderregeln beschränken (unter anderem: Moon, Berlin Wall).

Inhaltlich geht es darum, Bahnstrecken zu bauen, Städte zu verbinden und Waren zu transportieren. Lokomotivenstärke und Zugreichweite müssen stets angepaßt werden. Obwohl das Bauen den meisten Spaß macht, steht aber die Finanzierung im Mittelpunkt. Denn die Spieler arbeiten mit Fremdkapital und müssen am Ende der Runde genügend in der Kasse haben, um die Kredite zu bedienen. Außerdem schnappt die Konkurrenz einem regelmäßig die günstigsten Strecken und die lukrativsten Transportaufträge weg. Dabei kommt die Sozial-Mechanik “Wenn zwei sich streiten…” öfter zum Tragen, als Mancher möchte.

Für 2019 ist übrigens ein Relaunch als “Age of Steam DeLuxe” mit neuer Graphik von Ian O’Toole angekündigt

 

Kategorie/Mechanismus: Eisenbahnbau- und Wirtschaftsspiel

Design: 4

Interaktion: 2-3

Variantenreichtum: 5

Gesamtwertung: 4

Russian Railroads (Hans im Glück 2013)

Russian Railroads gehörte in der Hoch-Ära des Euro-Games zu den Kometen, die am Spielehimmel mit ihrem Erscheinen alles überstrahlten, und räumte 2014 auch sofort die vom Merz-Verlag organisierte Publikums-Auszeichnung ab, den schwerst begehrten Deutschen Spielepreis (DSP). Denn hier trafen frische Mechaniken mit durchdachten Strategien, hervorragendem Design und dem “Can’t Fail”-Setting Eisenbahn zusammen – und das mal nicht im amerikanischen Nordosten oder Westen, sondern im sagenumwobenen und sehr beliebten Rußland. (Was nicht wirklich eine Rolle spielt; die Strecken können auch zwischen Haithabu und Phantàsien verlaufen, aber nun geht es eben gen Osten.) Dabei bleibt der Titel voll im Euro-Rahmen: Marginale Zufalls-/Glücks-Faktoren, überschaubare Interkation, klares Spielziel (Siegpunkte) bei variablen Strategien und – na ja, auf die Dauer muß jede Runde selbst ein wenig achten.

Jede Spielerin hat auf ihrem Tableau die Möglichkeit, den Ausbauerfolg bei drei Bahnstrecken anzuzeigen. Dabei wird unter heftiger Konkurrenz um das Material erst die Grundierung gemacht, eine Hilfsschiene gelegt, dann normaler Verkehr ermöglicht, bis schließlich eine voll ausgebaute Hochgeschwindigkeits-Trasse in die Taiga führt. Unterwegs werden alle möglichen Boni eingesackt; dazu kann man noch Forschung treiben, hilfreiche Fabriken errichten und – vor allem – Experten anheuern. Die geben Sonder-Aktionen und Siegpunkte.

Mit zwei (kleineren) Erweiterungen sorgt der Titel immer wieder für den perfekten Spieleabend. Der kleine Wermutstropfen: Mit “Eisenbahn bauen” hat das Ganze nur in einem recht abstrakten Sinne was zu tun; die Mechanik ließe sich leicht auf jedes beliebige Fortschritts-Szenario übertragen. Und manchmal steigt der Frust-Faktor, wenn trotz aller Planerei die Anderen am Ende mit ihren Sonderpunkten auf der Leiste vorbeiziehen. Dann hilft eben nur: Nochmaaaaal!

Mechanik: Arbeiter-Einsetz

Design: 4

Interaktion: 2

Gesamtwertung: 4

Keyper (Huch 2017)

Alle Titel von Richard Breese spielen im Mulkeyversum bzw. im Königreich Keyworld. Die Meeples (Gnupsis, Pinnökel, Männchen, Spielfiguren) heißen “Keyples”, und die Puritaner reisen auf der “Keyflower” nach Amerika. “Keyper”, sein zentrales Arbeitereinsetz-Aufbauspiel, ist die perfekte Mischung aus Cuba (siehe auch hier) und Agricola. Es geht darum, binnen vierer Jahreszeiten den eigenen Hofplan mit allerlei nützlichen Gebäuden zuzupflastern (wie in Cuba) und dafür die nötigen Ressourcen und eine Menge verschiedener Haustiere (wie in Agricola) zu erzeugen.

Der Clou hierbei: Man kann sich gegenseitig helfen, indem man der Nachbarin fix mit Hilfsarbeitern zur Seite springt und so die Felderträge für sie und sich verdoppelt. Aber das funktioniert nur für zwei! Die Dritte und Vierte muß sehen, wie sie in den Ertragsoptimierungsreigen hineinkommt – oder ihn für die anderen blockiert. Außerdem dürfen wir auf Jahrmärkten Sonderpunkte ergattern – aber die nehmen wiederum Platz weg. Ebenso wie Straßen und Bäche, die dafür das eigene Dorf-Ensemble zusätzlich aufwerten.

Dabei gibt es eine Unzahl an möglichen Gebäuden, Viehzeug und Material, so daß der Variantenreichtum schnell zur strategischen Herausforderung reift. Denn nach 4 Runden (Jahreszeiten) ist schon Schluß! Aber keine Sorge – dann heißt es eben: Auf ein Neues!

 

Kategorie/Technik: Arbeiter-Einsetz mit Koop-Modus

Optik/Haptik: 3-4

Innovation: 2

Umfang und Spieltiefe: 5

Gesamtwertung: 4

Imaginarium (Bombyx/Asmodee 2017)

Mit Imaginarium begegnet uns zweifelsohne eine der schönsten Veröffentlichungen der vergangenen Jahre. An jedem Detail merkt man die Lust und Liebe der Autoren und Gestalter.

Inhaltlich geht es darum, verschiedene bemerkenswerte Maschinen zusammenzubauen, die ihrerseits den Spielablauf beeinflussen. Statt Steampunk heißt es hier aber: Traumwelt (wie aus Dixit & Co. bekannt); das Ganze könnte auch in jedem anderen Setting spielen, wäre dann aber wohl nur halb so reizvoll.

Also besorgt Euch Material wie Kupfer, Kohlium und genügend Schrott, um daraus neue erstaunliche Apparate zu bauen. Was nicht gebraucht wird, landet in der Schmelze. Nur Vorsicht: Der Platz in Eurer Werkstatt ist sehr begrenzt! Geschicktes Kombinieren und rechtzeitiges Wegschmeißen sind der Schlüssel zum Erfolg.

Spielmechanik: Aktions-Kombi, Karten-Kombi

Optik / Gestaltung: 5

Innovation: 3

Gesamtwertung: 4

Trickerion (Mindclash/Corax 2015)

Das Medium “Spiel” ist in aller Munde. Sein pädagogischer Wert für Jung und Alt kann gar nicht überschätzt werden. Spielerinnen und Spieler trainieren Gemeinschaft, Logik, Kommunikation, Strategie, Regelverständnis und eine ganze weitere Palette geistiger und emotionaler Ressourcen. Auch religiöse Themen kommen nicht zu kurz.

Die Retziner Ludothek, höchstwahrscheinlich die größte Spiele-Sammlung im Landkreis, hat kräftig Nachwuchs bekommen. Sie steht uns für Gemeinschafts- und für Bildungszwecke offen. Probieren wir die neuesten Kennerspiel-Highlights, die bewährten Eurogame-Klassiker und zahlreiche Kooperations- und Kommunikationstitel aus!

Die meisten Spiele richten sich an 2-5 Spielerinnen; gößere Runden können sich anpassen, Teams bilden oder Verschiedenes gleichzeitig testen. Theoretische Vertiefungen bereichern unsere Abende. Die vorgestellten Titel bilden nur Vorschläge; die Runde entscheidet jeweils selbst, was auf den Tisch kommt. Herzlich willkommen!


Ihr seid Magier, Illusionisten. In die Stadt gekommen, um die Vergnügungswilligen das Staunen zu lehren. Dumm nur, daß Ihr im Theater bloß in einer Gesamtshow auftreten könnt. So beginnt ein Wettlauf um die spektakulärsten Tricks, die günstigsten Requisiten, die gehyptesten Show-Zeiten und die coolsten Routinen. Setzt Eure Mitarbeiter geschickt ein und haut das Publikum aus den Socken!

Trickerion überzeugt mit einem spannnenden Setting und einer Vielzahl möglicher Strategien. Es ist nicht leicht, den Überblick zwischen Zauberschule, Marktplatz, Labor und Bühne zu behalten, die richtigen Wochentage für die Show auszuwählen und dabei noch die Mitspielerinnen zu beobachten. Diese Komplexität sorgt immer wieder für Überraschungen, ohne zu frustrieren. Hausregeln können je nach Geschmack den Schwierigkeitsgrad erhöhen. Update Mäz 2020: Inzwischen gibt es einige kleine und große Erweiterungen.

Spielmechanik: Arbeiter-Einsetz mit variablen Aktionspunkten

Setting: 5

Aufmachung: 3-4

Interaktion: 2-3

Komplexität: 4

Gesamtwertung: 5

Ora & Labora (Lookout 2011)

Noch einmal Uwe Rosenberg, der mit “Bete & Arbeite” seine erste heilige Trilogie (zusammen mit Agricola und Le Havre) vollendete. (Inzwischen gibt es von ihm mindestens zwei weitere.)

Diesmal geht’s um Klosterwirtschaft. Wahlweise in Irland oder Frankreich haben wir unsere Abtei auszubauen. Zwischen Küste, Sumpf und Bergland pflanzen wir Rohstoffe wie Getreide, veredeln sie zu Malz und Bier bzw. zu Brot und Wein und erschaffen schließlich künstlerisch einmalige Reliquienschreine oder sogar Wunder. Der Rohstoff-Veredelungs-Mix stachelt durch eine Vielzahl diverser Papp-Plättchen unsere Sammelleidenschaft und unseren taktischen Eifer an. Denn für die nächsten Spielzüge (Ausbauten und Wertungen) bedarf es der richtigen Kombination an Gütern.

Mit denen bauen wir unser Klosteranwesen aus. Da gibt es viele Werkstätten und die eigentlich geistlichen Räume, aber auch Wohnhäuser, die am Ende bestimmen, welche (benachbarten) Gebäude in unsere Wertung einfließen. Neu war damals das “Ressourcen-Ertragsrad”: Je seltener ein Rohstoff wie Holz, Getreide oder Fels benutzt wird, umso mehr häuft er sich an. Wer aber meint, noch eine Runde auf den Haufen Lehm warten zu können, um einen Reibach zu machen, hat meist nicht mit den Mitspielerinnen gerechnet. Das Rad wird außerdem zur Rundenanzeige verwendet und bietet die Möglichkeit einer Einstiegsvariante.

Einen Wermutstropfen birgt diesmal das Spielmaterial. Während die Rohstoffmarker, das Anzeigerad und die Illustrationen hochwertig und gelungen sind, bestehen die Spielertableaus nur aus dünnem Papier, und die Gebäudekarten sind auch nicht das von Lookout Gewohnte. Vielleicht werden neue Auflagen daran noch etwas optimieren, aber es stört auch nicht weiter… Freude macht hingegen der trotz unheimlich herausfordernder Entscheidungen, was wann wo und vor allem: An welcher Stelle zu tun oder zu bauen ist, recht flüssige Spielablauf. Denn die Aktionszeit der Anderen braucht man dringend für die eigene Planerei.

 

Kategorie: Arbeitereinsetz, Ressourcenmanagement, Gebäudeoptimierung

Innovation: 3

Interaktion: 2

Material: 2

Gesamtwertung: 4

Mombasa (Eggert/Pegasus 2015)

2015 erklomm Alexander Pfister, sonst gern einmal für Unausgewogenheit und strategische Engführung bekannt, den Gipfel dessen, was bisher im Eurogame-Bereich als Sternstunde möglich galt. “Mombasa” bietet eine kaum je erreichte taktische und strategische Tiefe, die zugleich ausgewogen als auch variantenreich ist. Und dabei wartet es mit einem für Euro-Titel ungewohnten Interaktions-Mechanismus auf, der sowohl (Pseudo-)Kooperation (bzw. Trittbrettfahrerei) als auch kompetitives Gegeneinander ermöglicht. Bei Eggert gab’s dafür die seltene “4-Tatzen”-Wertung für Komplexität.

Selbstverständlich geht es auch hier um’s Gewinnen, indem wir Siegpunkte anhäufen. Dazu reisen wir nach Afrika und treten mit den dortigen Kolonialgesellschaften in Handelsbeziehungen um Kaffee, Bananen usw. Die helfen ihnen bei der Ausbreitung, und das wiederum hilft uns – jedenfalls, wenn wir es geschickt genug anstellen und die Taktiken der Mitspielerinnen gut im Auge behalten. Ganz raffiniert, frisch und herausfordernd ist dabei die Steuerung von Aktionen über ein Karten-Set. Dabei entscheidet die horizontale und vertikale Anordnung der Aktionskarten in unseren Aktionsslots, was wir tun können und welche Aktionen wir künftig wieder zur Verfügung haben. Und wie immer helfen uns alle möglichen Boni sowie Buchhalter und Diamanthändler, um an den begehrten letzten Siegpunkt zu kommen, der uns auf der Skala an den Anderen vorbeirauschen läßt.

Der Autor erfuhr viel Kritik wegen des kolonialen Settings; er hätte sich nicht kritisch genug von jener Epoche distanziert. Mir scheint solche Kritik scheinheilig, denn auch andere Spiele bedienen sich meistens eines historischen oder zeitgenössischen Kontextes, der mit mehr oder weniger Aufwand als politisch unkorrekt eingestuft werden kann. Immerhin bringt ein solches Spiel seinem Thema Aufmerksamkeit statt Verdrängung (und Sklavenhandel kommt nicht vor).

Kategorie/Mechanik: Aktionskarten-Slots mit horizontaler und vertikaler Anordnung; indirekte Ausbreitung von Einflußzonen; Boni

Gestaltung: 4

Setting: ?

Interaktion: 3

Gesamtwertung: 4-5

Gaia-Project (Feuerland 2.Aufl. 2018)

Gaia-Projct ist ein optimiertes “Terra Mystica”. Dort wie hier finden sich verschiedene Völkerschaften mit eigenen Sonderfähigkeiten zum Wettstreit um den Aufbau einer Hochkultur zusammen. Über verschiedene Aktionsmöglichkeiten (Arbeiter-Einsetz-Mechanik und “Schalen der Macht”) und Ressourcen (Geld, Produktions-, Kultur- und Wissenschaftspunkte) versuchen die Spieler, die eigene Zivilisation voranzubringen und variierende Siegbedingungen zu erfüllen. Entscheidend dabei ist die Terraforming-Mechanik, da jedes Volk nur in bestimmten Landschaftsformen zu siedeln vermag.

“Terra Mystica” ist auf einem fixen Spielplan in einer Fantasy-Landschaft angesiedelt (mit typischen Völkern wie Hexen, Dschinns und Halblingen); “Gaia-Project” verlagert das Wettrennen in eine fiktive Weltraumgegend. Dabei wurden die Mechaniken und Sonderfähigkeiten neu aufeinander abgestimmt und ein modularer Spielplan eingeführt (mit einem 2. Grundset noch erweiterbar), aber das Spiel bleibt dasselbe.

Leider hat dabei die Übersichtlichkeit nachgelassen. Zu einem großen Haufen an Markern und Figuren gesellen sich noch die unterschiedlichsten Spiel- und Wertungspläne mit zwar deutlich, aber un-intuitiv gekennzeichneten Aktions- bzw. Bonusfeldern. Den – im Grunde abstrakten – Mechaniken hätte eine abstraktere, aber eingängigere Kennzeichnung besser getan! So werden die Spielrunden sich wahrscheinlich eigene Bezeichnungen für die einzelnen Elemente ausdenken, vielleicht aus beiden Versionen gemischt – ob nun “Glaube”, “Wissenschaft”, “Kultur” oder “Macht”.

Der Terraforming-Aspekt tritt gegenüber dem Original in den Hintergrund, obwohl man eigens “transdimensionale” Planeten findet, die man erst in die Realität befödern muß, bevor man sie besiedelt. Zu vielfältig sind die übrigen Wege zu Siegpunkten und mehr Aktionsmöglichkeiten. Dafür kommt man sich weniger ins Gehege; gute Nachbarschaft ist hier noch einflußreicher als in der mystischen Variante.

Ein wenig getrübt wird der Spieleifer durch die etwas lieblos einherkommenden Anzeige-Leisten für Geld und Produktionsressourcen mit simplen Kunststoff-Markern. Bei der Fülle des Materials wäre es hier auf die Ausformung stilisierter Energie- oder Erzbrocken (gern auch mit Anzeigeleiste) nicht mehr angekommen – die hübschen grünen Quantencomputer machen es ja vor! Wer mag, sollte hier evtl. eigene Materialergänzungen vornehmen.

Mechanik: Terraforming, Arbeiter-Einsetz- und Ressourcenmanagement, Zivilisations-Aufbau, Kombination verschiedener Aktionsbereiche

Optik und Haptik, Übersichtlichkeit: 2-3

Interaktion: 2

Wiederspielreiz: 5

Gesamtwertung: 4

Cities Skylines (Kosmos 2019)

Brettspiel-Adaptionen bekannter Videospiel-Titel erfreuen sich schon längerer Beliebtheit. Mit “Cities Skylines – Das Brettspiel” hat Rustan Häkansson die berühmte Städtebau-Simulation von Paradox für alle Freunde der analogen Unterhaltung umgesetzt; seine kooperative Stadtausbau- und Verwaltungsvariante gehörte 2019 zu den Bestsellern. Dank einiger Mechaniken, dem digitalen Vorbild entnommen, hat unser “Stadtrat” aus 1-4 Leuten bzw. Teams klare Zielvorgaben und ein Geländer an Parametern, die so nicht erst alle rollenspielmäßig diskutiert werden müssen wie in Vorgängern à la City Council und verwandten Management-Rollenspielen. Leicht zu lernen – schwer zu beherrschen.

Wie in SimCity bzw. City Skylines deklarieren wir vorgegebene Geländefelder zu Wohn-, Geschäfts- und Industrievierteln, die für sich selber wachsen und bestimmte Boni abwerfen, etwa Geld oder Arbeitskräfte. Dazu kommen Dinstleistungs- und Versorgungsgebäude. Müll, Wasser, Energie, Kriminalität, Gesundheit, Jobangebote und die Stadtkasse limitieren die Zufriedenheit unserer Bewohner, und die ist am Ende das Maß aller Dinge. Was wie ein aktbackenes Verzahnungs- und Legespiel ähnlich “Neom” daherkommt, ist dank des starken Themas und der zahlreichen Parameter zu einer lebendigen Variante des Computerspiels geworden. Besonders danken wir das der Grundentscheidung, von Anfang an rein kooperativ “gegen das Spiel” zu spielen. Der eingebaute Zufallsfaktor sorgt für Variabilität und Wiederspielreiz. Man darf auf kommende Erweiterungen gespannt sein.

Kooperatives Lege- und Verzahnungsspiel

Spielerinnen/Teams: 1-4

Anspruch/Komplexität: Familien bis Kenner 2-3

Cooper Island (Frosted/Pegasus 2019)

Das Medium “Spiel” ist in aller Munde. Sein pädagogischer Wert für Jung und Alt kann gar nicht überschätzt werden. Spielerinnen und Spieler trainieren Gemeinschaft, Logik, Kommunikation, Strategie, Regelverständnis und eine ganze weitere Palette geistiger und emotionaler Ressourcen. Auch religiöse Themen kommen nicht zu kurz.

Die Retziner Ludothek, höchstwahrscheinlich die größte Spiele-Sammlung im Landkreis, hat kräftig Nachwuchs bekommen. Sie steht uns für Gemeinschafts- und für Bildungszwecke offen. Probieren wir die neuesten Kennerspiel-Highlights, die bewährten Eurogame-Klassiker und zahlreiche Kooperations- und Kommunikationstitel aus!

Die meisten Spiele richten sich an 2-5 Spielerinnen; gößere Runden können sich anpassen, Teams bilden oder Verschiedenes gleichzeitig testen. Theoretische Vertiefungen bereichern unsere Abende. Die vorgestellten Titel bilden nur Vorschläge; die Runde entscheidet jeweils selbst, was auf den Tisch kommt. Herzlich willkommen!


“Cooper Island” war auf der SPIEL ’19 in Essen der Geheimtip, der Expertenknaller des Jahres. Überhypt wurde es trotzdem nicht, und das liegt an den Skills, die diese Mutter aller Mangelverwaltungs-Simulationen abruft: Hier gibt’s nichts für Bayern-Fans und schwache Nerven! Dabei kommt der Aufbau- und Ressourcenverwaltungstitel von “Ode” Adreas und Claudia Odendahl gar nicht allzu expertig daher. Grundplan und Spielertableaus, Landschaftsplättchen und ein paar bunte Markerwürfel – das ist fix aufgebaut, gehobenes Kenner-Niveau allenfalls. Auch, was es zu tun gibt, lernen wir schnell: Das ist nämlich nicht viel! Fünf Runden gibt es Zeit, um mit (anfangs) zwei Arbeitern unsere Halbinsel zu entwickeln, Holz und Tuch und dergleichen in viel zu knappe Lagerräume zu bugsieren und daraus Boote und Städte zu bauen oder zu exportieren. Und schon ist auch Schluß… – aber woher sollten wir jetzt noch Siegpunkte bekommen??

(In unserer Startpartie waren es ca. 20, also weit besser als bei Rezensent Christian von brettundpad laughing.)

Darin liegt der expertenmäßige Reiz: Im Optimieren! Landschaftsplättchen – erstmal genug haben – übereinander legen, um die Ausbeute zu erhöhen, und mit jedem Fortschritt kleine Boni einsammeln. Die wollen aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt sein. Spezialisierung ist Pflicht, denn mehr Arbeiter oder gar Königsaufträge bekommt man nur mit “Mehr (und Teurerem) vom Gleichen”. Und Essen braucht man am Rundenende auch noch…

Viele bekannte Elemente (Landschaftsplättchen, Ressourcen, verschiedene Siegpunktbäume, Aktionsfelder, Versorgung) verzahnen sich hier zu einem fast noch nie dagewesen Optimierungsspaß für 1-4 Personen oder Teams. Ins Gehege kommt man sich dabei fast gar nicht; selbst besetzte Aktionsfelder kann weiterhin nutzen, wer sich das leisten kann. Zu ärgern braucht man sich nur über sich selbst, und das heißt, die Siegpunktjagd nicht überernst zu nehmen. Hausregeln können den Glücksfaktor (“Ziehe Plättchen aus Beutel!”) noch weiter minimieren. Innovativ wirkt die Siegpunkleiste, die jede Spielerin für sich selbst mit jeweils zwei Schiffchen abfährt, dabei die Insel umrundet und in der Nähe von Häfen und Sandbänken wertvolle Boni einheimst.

Der namensgebende “Cooper” ist nach Angaben der Autoren übrigens ein spanischer Findelhund, der hiermit ein unsterbliches Denkmal bekam.

Arbeitereinsetz- und Ressourcenmanagement

Interaktion: 0-1

Anspruch: Kenner 4

Nova Luna (Pegasus 2019)

Uwe Rosenberg? Mond? Jugendstilverpackung? Muß sein!

Was man dann auspackt (oder “unboxt”, wie der Denglisch-Spieler sagt), entpuppt sich als hochabstraktes Lege- oder Puzzlespiel, das Uwe auf der Grundlage von Corné van Moorsels “Habitats” (was erstmal logischer klingt) entwickelt hat. Ja: Das Netz zerreißt sich über der Frage, ob der völlige Verzicht auf eine wie immer geartete thematische Anbindung sinnvoll war – immerhin lockt der Titel ja mit etwas lunarem Okkultismus. Man hätte hier wunderbar Zootiere, Neubaublockbewohner, Gartenpflanzen, Moleküle, Backzutaten oder was auch immer nach “verträgt sich/verträgt sich nicht” und “Laß aber noch Platz für…!” sortieren, anlegen und zusammentun können.

Aber nun gibt’s das Ganze erstmal in blanken Quadraten mit vier Seiten in vier Farben, die man je nach eigener Position im “Mondrad” auswählen darf. Mit jedem Plättchen erfüllt man Kombinations-Aufgaben – und verbaut gleichzeitig wertvolle Plätze. Und mit jedem Plättchen gibt es neue Aufgaben, für die man die nötigen Plätze und Legeschlangen dann, o Wunder, noch frei hat – oder eben nicht (*auf Zunge beiß*).

Wie das aber nun möglichst optimal und dabei möglichst zügig hinzukriegen ist – das macht den absoluten Reiz dieses Kombinations-Wettrennens aus. Pfeif auf ein Thema – das gibt es anderswo, oder man denkt sich selbst welche aus! Oder entwickelt das Ganze gleich für große Gruppen weiter, z.B. als Aufstell-Spiel zum Kennenlernen.

Abstraktes Lege-/Kombinationsspiel

Grübelfaktor: 3-4

Glück: 2-3

Planung: 4-5

Similo (Horrible Guild/HeidelBär 2019)

Spätestens seit Brainburnern wie “The Game” oder “The Mind” (siehe auch hier) ist das okkulte Geheimnis der nonverbalen Verständigung Thema des Spiele-Mainstreams. Ja: Lebende Wesen können einander verstehen! Ganz ohne den berüchtigten habermasschen “rationalen Diskurs” und trotzdem “macht- und hierarchiefrei”. Kostprobe gefällig?

Ähnlich wie bei “Dixit”, “Mysterium” & Co. geht es heute darum, den Anderen klarzumachen, was man meint – welche Karte (aus einer Auslage von 12) man “erklären” soll. Dazu gibt es zwei Sets: Eins mit Märchen-, eins mit historischen Gestalten. Lege ich eine Karte aufrecht, hat sie etwas mit der ausliegenden gesuchten gemein. Lege ich sie quer, widerspricht sie der Gesuchten in einem, möglichst in mehreren Punkten. Die Anderen müssen raten – und das heißt, in jeder Runde mehr Karten ausschließen. Das hat viel von “Wer bin ich?”, ohne daß man sich die jeweiligen Hinweise einzeln und auswendig merken muß (die Karten bleiben liegen).

Sich als Such-Team darüber einig zu werden, macht den Reiz des Ganzen aus. Besonders gagig wird es durch das Spiel mit den Verneinungen: Worin stimmen eine blaue König-Artus- und eine gelbe Rotkäppchen-Karte nun nicht überein? Das Regelwerk ist hier rein kooperativ konstruiert (anders als in “When I Dream” oder “Dixit”); man soll also schon möglichst zielführend “erklären” und das Spiel dabei autricksen. Der Lohn liegt im Wunder, daß solche Verständigung wirklich funktioniert!

Ein Vorteil: Das Spielprinzip läßt sich auf jede beliebige Auswahl von Bild- und Symbolkarten anwenden, sogar auf eigene Photos. Hausregeln können das Ganze erschweren oder verfeinern.

Koop-Kommunikation und Deduktion mit Karten

Gruppenbildung: 4-5

Kommunikation: 5

Flügelschlag (Feuerland 2019)

Was haben die Cracks vor einem Jahr gelästert! “Ihr seid Vogelliebhaber“, beginnt der Klappentext. Waaas? Vögel? Keine Orks, keine Lokomotiven, keine Arbeiter-Meeples, nicht einmal Holz & Lehm, geschweige denn Helden, Marsianer und Soldaten? Absolut unverkäuflich. Trotzdem war die deutsche Erstauflage nach wenigen Tagen vergriffen, und was sich dann im Lauf des Jahres 2019 vollzog, ließ die besten Hoch-Zeiten des “Euro-Games” seit Agricola (2007) wieder aufleben – wenn nicht gar die seit “Die Siedler von Catan”” (1995). Auflage um Auflage orderten Spieleläden und Buchhandlungen nach; überhäuft mit Preisen (Kennerspiel des Jahres und Deutscher Spielepreis) dürfte es zum jüngsten Weihnachts-Renner im Bereich Familien- und Kennerspiel geworden sein. Die Schlange in Essen bei Feuerland in Halle 4 auf der SPIEL ’19 war an allen Tagen die längste, weil Jede-/r an die frische Europa-Erweiterung wollte.

Was war passiert?

Ihr seid Vogelliebhaber“, beginnt der Klappentext des Kartensammel- und Optimierungsspiels von Elizabeth Hargrave. Amerika entdeckt plötzlich das Euro-Game, nachdem es schon totgesagt war, und hat damit Mega-Erfolge (vergleiche “Everdell” – oder hier). Das zeigt sich an der typischen Sorgfalt beim Marketing bzw. bei der Aufmachung: Wann war das Material im puristisch-nachlässigen “Es-geht-um-das-Spiel-auf-dem-Tisch!”-Europa (wo das formal Provisorische bzw. das Schlampig-Billige als Tautologie für inhaltliche Tiefe gilt) je so konzipiert, daß es sich optimal der Schachtelgröße angleicht? Wann war hier je der Schachteldeckel extra ausgeklebt? Wann gab es je so lustige farbige Eier als Siegpunktezähler – oder gar einen Würfelturm als Gimmick? “Flügelschlag” – ein amerikanisches Euro-Game also.

So lernen wir Nordamerikas Vogelwelt kennen; in der Europa-Erweiterung begegnen wir auch unserer heimischen. Wir locken Vögel (auf Vogelkarten) an, füttern sie und lassen sie aus Eiern schlüpfen, besorgen frisches Futter, bebrütbare Eier und schließlich neue Vögel (Vogelkarten), wobei der jeweilige Bonus an eines von drei verschiedenen Habitaten geknüpft ist: Wald- bzw. Baumvögel geben Futter, Bodenbrüter legen fleißig Eier und die Vögel der Feuchtgebiete sorgen für Kartennachschub. Vögel (für Futter und ggf. Eier) auszuspielen bildet die vierte mögliche Aktion.

Je nach schon eingesammelten Vögeln und ihren Sonderfähigkeiten (z.B. Jagd, Schwarmbildung, Aasfresser) ergeben sich nun in den Habitaten verschiedene Bonus-Ketten: Extra-Eier, Extra-Karten, Extra-Siegpunkte oder Extra-Futter. Der Reiz, der schließlich über die Ornithologie hinausgeht, liegt genau darin: Die optimalen Kombinationen zum optimalen Zeitpunkt zu finden – und das bei sehr begrenzter Runden- und Aktionszahl! Vorteilhaft ist hier wieder einmal die geringe Interaktion – mehr als Karten oder einen Futterwürfel wegzuschnappen können die Mitspielerinnen einem nicht antun. Der Glücksfaktor ist schon deutlich – man zieht manchmal nur Kleinvieh, das nicht zusammenpaßt. Aber die Kunst liegt darin, aus dem Gegebenen das Beste zu machen. Fazit 2019: Amerika schenkt Europa das Euro-Game zurück. Danke, Elizabeth Hargrave!

Karten-Sammel- und Kombinationsspiel rund um die Vogelwelt

Interaktion: 1

Glück: 3

Heaven & Ale (Eggert/Pegasus 2017)

Heute geht es wieder mal ins Kloster. Genauer: In die Klostergärten, denn unsere Brauerei verlangt ständig wachsenden Nachschub. Und so kultivieren wir Gerste und Hefe, sammeln Wasser und Hopfen. Der Witz dabei: Die halbe Abtei liegt permanent im Schatten. So müssen wir lavieren: Rohstoffe sammeln (Sonnenseite) oder lieber Geld (Schatten)? Das wird dringend benötigt, um Möche anzuheuern und neue Rohstoffplättchen zu ergattern.

Richtig pfiffig wird der Titel von Michael Kiesling und Andreas Schmidt durch die verschränkten Wertungsmechanismen. Je nach Lege-Geschick auf den Abtei-Feldern lassen sich coole Einsack-Moves hinlegen – oder eben nicht. Dazu kommt aber noch eine Fortschrittsleiste in den verschiedenen Rohstoffkategorien, die die Produktivität versinnbildlicht: Eine Hefe-Stufe von “+10” nützt gar nichts, wenn unser Hopfen-Skill bei traurigen “-2” stehenbleibt. Und bei alledem heißt es “Tempo!”, denn der Aktionsplan für neue Rohstoff-, Mönchs- und Bonusplättchen wird lediglich vier Mal umrundet.

Nicht gerade das schnelle Spiel für zwischendurch, aber auch kein Wochenendfresser – so kommt “Heaven & Ale” (jetzt auch mit Erweiterung) als gehobenes Kennerspiel daher, das sowohl Taktikfüchse als auch Spontanisten anspricht, die sich eher auf ihre periphere Wahrnehmung verlassen als auf die strategischen Möglichkeiten; die werden einem ja doch von den Mitspielerinnen durchkreuzt… Na dann: Prosit!

Taktisches Renn- und Legespiel mit verschränkten Wertungs-Skalen

Interaktion: 3-4

Tüftelfaktor: 4

Glück: 3

Taktik (oder wahlweise Intuition): 4

Scythe (Feuerland 2016)

“Sythe” (dt. Sense – auch hier) gilt als das perfekte Brettspiel. Dabei erweckt es zuerst einen trügerischen Eindruck! Eine abenteuerliche Landkarte voller Hex-Felder lädt zum Erkunden und zum Erobern ein. Das kann und das soll man hier auch (Area-Control bringt am Ende ordentlich Siegpunkte), aber es ist nicht der Haupt-Zweck der Sache. Wir haben hier – auch wenn es im ersten Moment den Eindruck erweckt – keinen Taktik-Titel, bei dem viel Hin und Her etwas brächten, und defensives Eingraben schon gar nicht. “Scythe” ist ein Rennspiel. Es geht darum, möglichst als Erster möglichst viele der möglichen Quest-Bedingungen und Aufgaben zu erfüllen – und nebenbei die meisten Siegpunkte (in Form von Geld) einzusacken. Und das ist – für bis zu 7 Spielerinnen – spielmechanisch so perfekt gelöst, wie es bis dahin als undenkbar galt.

In einem fiktiven Osteuropa nach dem ersten Weltkrieg ringen fünf (mit Erweiterung sieben) Nationen samt ihren Anführern um die Vorherrschaft. Da werden Arbeiter angeheuert, riesige Maschinen – Mechs genannt – konstruiert, Gebäude errichtet und Gebiete beansprucht, um an Eisen, Weizen, Holz und Öl zu kommen, und alles dreht sich um “die Fabrik” in der Mitte – ein sagenumwobenes Relikt einer Macht, die (ganz wie in “Sherlock Holmes – Spiel im Schatten”) die Völker der Welt gegeneinander hetzt. Ja: Kämpfen kann man auch, aber das kostet Stärkepunkte und – in der Regel – kostbares Ansehen. Wer zuerst sechs Wertungskategorien fertigstellt, beendet die Partie. Abgerechnet wird aber erst danach.

“Scythe” lebt unbestreitbar von seinem Flair. Illustrationen, Miniaturen, Hintergrundgeschichten und Begegnungen werden so lebendig wie sonst nur in wirklich guten Rollenspielen. Die Spielwelt fordert regelrecht zum Modden oder zu Fanfiction heraus. So entstanden erste Mini-Erweiterungen auch auf Initiative begeisterter Spieler-/innen; teures Zubehör (Metallmünzen, modellierte Rohstoffe, Spielplan in groß oder aus Isopren) verkauft sich wie geschnitten Brot.

Gegen die manchmal bemängelte Unausgewogenheit und Linearität helfen Legacy-Szenarien und Erweiterungen, neuerdings auch ein modularer Spielplan. Außerdem sollte es viele Partien dauern, bis wirklich für jede Kombination von Sonderfähigkeiten der optimale strategische Ablauf gefunden ist. Zufällige Gewinner-Twists und -Moves fordern die Runde eben zu spielerischem Können auf höherer Ebene heraus (seit “Die Siedler von Catan” als “sozialer Faktor” bekannt): Unerfahrene Spielerinnen können bevorzugt, zu weit fortgeschrittene gemeinsam eingedämmt werden.

Zum Trainieren empfiehlt sich übrigens die digitale Version; verschiedene Tabletop-Simulatoren hatten “Scythe” sofort im Programm oder wurden extra dafür designt. So steht sogar Fernpartien nichts im Wege, und dank “Automa” ist auch die Solo-Variante enthalten. Bei einer Spiele-Testwoche 2019 in Retzin wurde erst gar nichts Anderes mehr begonnen – “Scythe” füllte unsere Zeit vollkomen aus.

Rennspiel in fiktiver geopolitischer Umgebung

Personen: 1-7

Glück: 2 (Die Begegnungskarten wirken mitunter zu mächtig.)

Ausstattung/Flair: 5

Chikago 1875 (Quined 2019)

Auf diesen Titel vom niederländischen Quined-Verlag war ich 2019 am meisten gespannt. Leider lag die Anleitung – anders als versprochen – nur auf Englisch bei, durch die ich mich nun erstmal pfriemeln muß. Im Ergebnis lockt aber endlich wieder die denkbar größte Motivation, sich auf ein Gesellschaftsspiel einzulassen: Hier geht’s nicht um piefige Sieg-, Ruhmes- und Prestigepunkte, sondern schlicht um Dollars.

Chikago ist abgebrannt. Zum Glück ermutigt das Land der unbegrenzten Möglichkeiten Jene, die unternehmerisch (und skrupellos) genug sind, ihren Traum von endlosem Reichtum zu leben – und nebenbei zum allgemeinen Nutzen die Metropole am Michigansee wiederzuerrichten. Das geschieht, wie immer bei Quined, in optisch wie haptisch exzellenter Umgebung und mit einem Spielsystem, das Neugier und Ehrgeiz stachelt.

Nähere Infos nach dem ersten Test.

Wirtschaftssimulation

Komplexität: k.A.

Dauer: k.A.

Mechanik: k.A.

From Idiot to President (Haarenwerk 2019)

Die Pre-Electials sind eröffnet! Anfang Februar startete der Präsidentschafts-Vorwahlkampf der USA in Iowa. Diesmal sind wir mitten dabei – und treten mit einer eigenen Partei an, um die verschiedenen Wählergruppen der Adipösen, der Bildungsfernen, der politisch Überkorrekten usw. von den Wohltaten unseres Programms zu überzeugen. Ob unser Charakter dabei sehr hilfreich ist?

Dieser herrlich ironische Titel wartet mit einer Kobination aus zwei klassischen Mechaniken auf: Dice-Placement und Area-Control. Um (in der 2.Spielphase) in den einzelnen US-Staaten Wahlkampf machen und die Nase nach vorn bekommen zu können, braucht man Einflußmarker. Diese erhalten wir (in der 1.Spielphase) durch das Absolvieren von Pressekampagnen. Dazu werden gemeinschaftlich zwanzig 6er-Würfel auf die sechs Wählergruppen verteilt, und dabei geht es interaktiv zur Sache. Denn die Kapagnen der Konkurrenz decken sich mit unserer nur selten.

Ein Spiel mit viel Humor, das auf der SPIEL’19 zu den Publikumsmagneten gehörte – auch wegen der Schachtel-Illustration, die sich in der Mechanik – wohl aus rechlichen Gründen – nicht ganz so wiederfindet; vielleicht würzen künftige Erweiterungen das Ganze noch mit ein bißchen Perfidie und strategischer Tiefe.

Mechanik: Dice-Placement und Area-Control

Humor: 4

Glück: 3

Interaktion: 4

Pictures (PD 2019)

Und noch einmal “wortlos Bilder erklären”. Nur diesmal tun wir es alle gemeinsam. Aus einer 4×4-Auslage bekommt jede Spielerin geheim ein Kunstwerk zugelost – und darf nun mittels verschiedener Materialien Hinweise darauf basteln. Werden sie richtig erkannt, gibt’s Punkte.

Der Witz ist, und das gemahnt schon an die reale moderne “Kunst”: Man hat nur – je nachdem – drei Stöckchen, oder ein paar bunte Würfel, oder einen Schnürsenkel, auf jeden Fall Allerweltsramsch, und davon viel zuwenig, und nächste Runde wird (reihum) gewechselt! Will heißen: Worauf konzentriere ich mich denn nun? Auf die Linien? Die Farben? Die Raumanordnung? Oder doch bestimmte Bildelemente – Menschen, Brücken, größere Flecken oder den Schnürsenkel?

Der Spaß läßt sich beliebig erweitern – sowohl mit (eigenen) Bildern als auch mit (eigenem) Darstell-Material. Erinnert stark an das leider vergriffene “Was’n das?” (siehe auch hier). Kommt und staunt über die Assoziationen der peripheren Wahrnehmung des Geistes!

Bilder-Erklärspiel mit lustigen Materialien

Kreativität: 5

Kommunikation: 4

“Hä? Wie jetzt?”-Faktor: 5

Magic Maze (Pegasus 2017)

Das Medium “Spiel” ist in aller Munde. Sein pädagogischer Wert für Jung und Alt kann gar nicht überschätzt werden. Spielerinnen und Spieler trainieren Gemeinschaft, Logik, Kommunikation, Strategie, Regelverständnis und eine ganze weitere Palette geistiger und emotionaler Ressourcen. Auch religiöse Themen kommen nicht zu kurz.

Die Retziner Ludothek, höchstwahrscheinlich die größte Spiele-Sammlung im Landkreis, hat kräftig Nachwuchs bekommen. Sie steht uns für Gemeinschafts- und für Bildungszwecke offen. Probieren wir die neuesten Kennerspiel-Highlights, die bewährten Eurogame-Klassiker und zahlreiche Kooperations- und Kommunikationstitel aus!

Die meisten Spiele richten sich an 2-5 Spielerinnen; gößere Runden können sich anpassen, Teams bilden oder Verschiedenes gleichzeitig testen. Theoretische Vertiefungen bereichern unsere Abende. Die vorgestellten Titel bilden nur Vorschläge; die Runde entscheidet jeweils selbst, was auf den Tisch kommt. Herzlich willkommen!


An “Magic Maze” von Kasper Lapp scheiden sich die Geister. Es war so neu, so innovativ und so kooperativ wie lange nichts. Vielleicht zu neu? Wer wenig Spaß versteht, wird das hier eher als Bösartigkeit denn als Spiel auffassen. Oft wird “Magic Maze” als Familienspiel eingestuft; dafür halte ich es nach etlichen Spielrunden beinahe für zu schwer. Besonders Erwachsenen fällt es nicht leicht, die nötige Konzentration aufzubringen und bei der Social-Skill-Frage nicht einem einzelnen langsamen Looser die “Schuld” für das Gruppenversagen zuzuschieben.

Aber Magic Maze ist halt unendlich witzig! Als Elfin, Zwerg, Magier und Barbar sind wir pleite gegangen und müssen uns die Ausrüstung für unser nächstes LARP-, Pen- & Paper- oder Tabletop-RGP im nächsten Warenhaus zusammenklauen. Dummerweise müssen wir uns trennen, denn Äxte gibt es nicht in der Apotheke und Elfenkram nicht bei den Steroiden. Das Auskundschaften geht noch ganz gut, aber kaum halten wir die begehrten Artefakte in Händen, schaltet der Alarm die Rolltreppen ab, und uns bleiben nur Sekunden, um uns am Notausgang unserer Exit-Strategie zu erfreuen.

Und das geht so: Jede Spielerin bewegt alle Figuren. Aber jede verfügt nur über eine Bewegung – zum Beispiel: “Geradeaus nach Norden”! Damit alle vier der abgewrackten Helden in ihre jeweiligen Ladengeschäfte kommen, die es auch erstmal aufzuspüren gilt, und dann unbemerkt zum Treff am Notausgang, sind Überblick, Zielstrebigkeit und flinke Finger gefragt. Denn das Gemeine ist: Reden gibt’s hier nicht! Nur einen Warnpöppel, mit dem man “Hey! Du! Mach was!” auf den Tisch klopfen kann.

Ob wir es beizeiten raus schaffen oder ob der Sicherheitsdienst vorher mit Handschellen zulangt, erfahren wir in zahlreichen sich steigernden Szenarien und Erweiterungen und neuerdings auch “On Mars”. Na dann: Bezahlen war gestern – heute heißt es Rennen! Auch zum Gruppen-Geländespiel erweiterbar.

Rasantes Koop-Spiel um Überblick und Mechanik

Nonverbale Kommunikation: 5

Tempo: 5

Verwirrung: 4-5

Cuba (Eggert 2007)

“Cuba” – siehe auch hier und hier – war unser erstes echtes Kenner- oder Expertenspiel. Aus heutiger Sicht wirkt es fast schon nostalgisch, zumindest ohne die Erweiterung. “Weißt du noch: Die Wassertaktik? Die Zigarrentaktik? Das Hotelgepicke? Die wunderschöne Graphik?”

Ja, damals ging es los, das Spielgesteuere über ein Kartendeck (heute bekannt aus “Concordia” und “Mombasa”). Die Beeinflussung der globalen Umgebung durch “Gesetze”, die der einen in den Kram passen und der anderen nicht. Und vor allem der Kampf mit sich selbst: “Soll ich das Tabakfeld überbauen oder lieber den Lehm? Wieviele Orangen kann ich noch verticken? Oh, am Horizont taucht der Holzfrachter auf!” Alles, was Ihr tut, kostet zukünftige Möglichkeiten. Und dann nehmen einem die Mitspielerinnen noch die begehrten Gebäude und Frachterplätze weg…

“Cuba” bleibt ein herausragender Meilenstein mit viel Flair und vielen kniffligen Entscheidungen, der es immer wieder auf den Tisch schafft – zumal mit der Erweiterung. Denn sowohl die Komplexität als auch die – für heutige Verhältnisse fast schon simple – Steuerung haben es nach wie vor in sich.

Als kleine Kommunen ernten wir auf unseren Feldern (Spielertableaus) Tabak, Zucker, Zitrusfrüchte sowie die Baustoffe Holz und Lehm; ein Feld bietet Zugang zu Frischwasser. Vier von fünf Aktionsmöglichkeiten (Aktionskartendeck) stehen jeder Spielerin pro Runde zur Verfügung: Der Arbeiter erntet; der Vorarbeiter aktiviert Häuser; der Architekt bau sie; der Bürgermeister liefert Waren gegen Siegpunkte auf’s Schiff und die Händlerin handelt am Marktplatz. Eine der fünf Personen zieht am Rudenende ins Parlament ein darf dort vielleicht über die Gesetzesvorhaben mitentscheiden: Werden Steuern und Zölle erhöht? Rum und Zigarren mit Exportverboten belegt? Oder gibt es Siegpunkte für gesammelte Wasserreserven?

Was das Ganze so tricky macht, sind drei Mechanismen: Die Gebäude aus einer reichlichen Auswahl müssen erstens auf den Spielertableaus platziert werden. Da ist dann Schluß mit Lehm oder Zitronen; stattdessen steht dort vielleicht ein Zollamt oder eine Rumfabrik (“Tropico” läßt grüßen). Zweitens: Arbeiter und Vorarbeiter aktivieren jeweils alle Felder in den Reihen und Spalten, die orthogonal an das Feld der Arbeiterfigur angrenzen. Wo also Gebäude stehen, macht der Arbeiter keinen Schnitt mehr. Außerdem vergammeln Rohstoffe, die nicht exportiert, gelagert oder verdelt wurden, am Ende jeder der 6-8 Runden. Es gilt drittens also jedes Mal, clever zu entscheiden, welche Aktionen ausgeführt werden und welche Karte am Ende übrig bleibt, um (mit der Nachhilfe von ein bißchen Münzgeld) im Parlament für die genehmen Gesetze zu sorgen, die idealerweise den Mitspielerinnen das Handwerk versalzen.

“Cuba” bringt in “Havanna” und “Santiago de Cuba” zwei kleine Geschwisterchen mit. Zu dritt sorgen sie auch heute noch für prickelnde Spieleabende – nicht nur bei Karibik-Fans.

Aufbaustrategie und Ressourcenmanagement mit Kartendeck-Steuerung

Aufmachung: 4

Taktische Tiefe: 4

Interaktion: 3-4

Save the Meeples (Blue Cocker 2019)

Das Medium “Spiel” ist in aller Munde. Sein pädagogischer Wert für Jung und Alt kann gar nicht überschätzt werden. Spielerinnen und Spieler trainieren Gemeinschaft, Logik, Kommunikation, Strategie, Regelverständnis und eine ganze weitere Palette geistiger und emotionaler Ressourcen. Auch religiöse Themen kommen nicht zu kurz.

Die Retziner Ludothek, höchstwahrscheinlich die größte Spiele-Sammlung im Landkreis, hat kräftig Nachwuchs bekommen. Sie steht uns für Gemeinschafts- und für Bildungszwecke offen. Probieren wir die neuesten Kennerspiel-Highlights, die bewährten Eurogame-Klassiker und zahlreiche Kooperations- und Kommunikationstitel aus!

Die meisten Spiele richten sich an 2-5 Spielerinnen; gößere Runden können sich anpassen, Teams bilden oder Verschiedenes gleichzeitig testen. Theoretische Vertiefungen bereichern unsere Abende. Die vorgestellten Titel bilden nur Vorschläge; die Runde entscheidet jeweils selbst, was auf den Tisch kommt. Herzlich willkommen!


Zu Florian Sirieix’ selbstbezüglichem und damit herrlich ironischem Titel fand ich noch keine ausführliche Rezesion, nur einige Previews (u.a. siehe Link) und einen YT-Beitrag.

Ausprobieren konnte ich’s auch noch nicht, aber es war (in der großen Sonder-Aufmachung) bei der SPIEL ’19 in Essen das bei Weitem lustigste und aufsehenerregendste Spiel.

Kurz zum Inhalt: Die Meeples – die kleinen Pinnökel-Gnupsi-Figürchen, wie sie seit Carcassone häufig bezeichnet werden – sind von Versklavung und Mißbrauch durch die Menschen bedroht, die sie in ihre Brettspiele zwingen wollen. Da hilft nur die Flucht in eigenen Raketen.

Bin selber gespannt, ob der Witz-und Knuddelfaktor durchzuhalten ist und nicht in Frust endet.

Scoville (Tasty Minstrel 2014)

Die Schärfe von Chilischoten und capsaicin-haltigen Speisen ermittelt man in der berühmten Schärfe-Skala “Scoville”. Sie mißt die Wassermenge, die benötigt wird, um das unlösliche nervenstimulierende Alkaloid so weit zu verdünnen, daß der menschliche Geschmackssinn gegen den Schärfereiz unempfindlich wird. In Fett oder Alkohol löst der Stoff sich leicht auf; deshalb hilft ein Schluck Milch oder Bier am besten gegen eine “verbrannte Schnauze”. Seit wir auf der Oranienburger Landesgartenschau 2009 der Kunst der Chilizucht begegneten, messen wir uns regelmäßig in Schärfe-Challenges. Wichtiger Partner dafür ist Frank Spieß von “Curry & Chili” an der Ecke Osloer/Prinzenstraße im Wedding, der auch die aus Kabel 1 bekannten Schärfemeisterschaften veranstaltet und die entsprechenden Saucen samt Zubehör (Chili-Chips, Chili-Bonbons…) feilhält.

Klar, daß ein Spiel zum Thema Chili und scharf Essen da nicht fehlen darf. Der sprach-unabhängige Titel von Josh Kappel (mittlerweile existiert die Anleitung auch auf deutsch) setzt das Thema denn auch in einmalig genialer Weise um:

Wir züchten Chilischoten, und zwar auf Schärfe hin. Und das tun wir auf althergebrachte Weise: Durch Kreuzungen im Garten statt im Genlabor. Aus verschiedenen Ausgangssorten erhalten wir mit Glück und Können weit edleres Gemüse – sprich: Mit höherem Capsaicin-Gehalt. Bis hin zur echten Habanero – hier der Clear Crystal Pepper. Hochwertiges Material lädt ein, duch die Saatenreihen zu stapfen, Proben zu nehmen und sich an neue Kreuzungen durch Nachbarbeetbepflanzung zu wagen.

Am Ende wird gekocht. Hier wartet neben dem scharfen Chili ein Tröpfchen bitterer Wermut, denn die zufällig ausliegenden “Speisekarten” verteilen die Siegpunkte doch sehr unausgewogen; und wer bei einem anspruchsvollen Gericht auch nur um eine Schote ins Hintertreffen kommt, kann schonmal abschwaschen gehen. Hausregeln (z.B. Meilenstein-Boni) können hier Abhilfe schaffen. Oder man nimmt die Siegpunkttafeln nicht zu ernst und freut sich stattdessen an den Zuchtfortschritten.

Entwicklungsspiel mit verschärftem Thema

Umsetzung: 5

Aufmachung/Material: 4 (die gutgemeinten Stanzungen passen nicht 100%ig)

Ausgewogenheit: 2

Mystic Vale (Pegasus 2016)

“Mystic Vale” von John D. Clair nennt sich ein Card-Crafting-Spiel – ein Deckbuilding-Aufbauspiel (à la Dominion) mit Karten, die nach und nach verbessert werden können. Wie das funktioniert…? Überraschung. Mittlerweile gibt’s das sogar mit Würfeln (“Dice Forge” – auch hier; Achtung: Unbedingt zur – verbesserten – zweiten Edition greifen; bei der ersten ist die Anleitung voller Chaos und so gut wie kaum verständlich!), aber seinerzeit handelte es sich um eine aufsehenerregende Mechanik.

Worum geht’s? Allerlei mystische Wesen versuchen, mit Hilfe von Einflußkarten und gar mächtiger Magie ihr hübsches Tal zu retten. Wie beim Deckbuilding üblich, entscheidet dabei nicht nur die Qualität der (sich nach und nach verbessernden) Einzelkarten und ihrer Fähigkeiten, sondern vor allem deren Zusammensetzung im eigenen Kartenhaufen.

Ob “Mystic Vale” immer für die nötige Spannung und den entsprechenden Widerspielreiz sorgt, ist in der Szene umstritten. Es anzuschauen lohnt aber allemal: 1. wegen der wunderhübschen Illustrationen; 2. wegen der doch interessanten Mechanik (auch wenn “Dice Forge” überlegen sein mag); 3. vor allem aber als Einstieg in die Welt des Deckbuildings, denn da warten nicht nur “Dominion” (Hans im Glück/Rio Grande 2008ff.) und “Ascension” (Marabunta/Asmodee/UltraPro 2012ff.) etc., sondern am Ende der Skala auch die Living Card Games von Fantasy Flight/HeidelBär & Co. – die brillianten Umsetzungen zu “Herr der Ringe“, “Game of Thrones” usw.

Deckbuilding und Card-Crafting (Kartenoptimierung) in mystischer Fantasy-Umgebung

Innovation: 4

Einstieg ins Deckbuilding: 5

Interaktion: 2-3

Aufmachung/Ausstattung: 4

Wissenschaft im Spiel

Das Spiel(en) ist längst Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Aber nicht darum geht es heute, sondern um Wissenschaften, die spielerisch umgesetzt werden, und zwar “richtige” Naturwissenschaft. Nicht so Zeug wie Politologie, Wirtschaft, Geschichte, Völkerkunde, Psychokram und Germanistik oder gar – da sei Sheldon Cooper davor – Geologie.

Ecogon (Gaiagames 2015)

Damit Bildungsspiele nicht abschreckend wirken, haben sie zumindest eine eigene Website. Ecogon bietet eine themenbasierte Umsetzung zu Legespielen wie “Nova Luna”. Wir besiedeln Ökosysteme und lernen dabei viel über die Intederpendenz von Arten und Habitaten.

Elemente

Chemie ist erst durch das Periodensystem, was sie ist. Kein Wunder, daß dieses wundersame logische Meisterwerk auch zum Spielen einlädt. Nebenbei gibt’s Kenntnisse über chemische Verbindungen und den Aufbau von Molekülen.

Elementabble (Get Digital 2019)

Noch einmal das Periodensystem. Diesmal bilden wir in bester “Breaking-Bad”-Manier Buchstabenreihen aus den bekannten und unbekannten Abkürzungen der chemischen Elemente (also doch was mit Sprache). Sinnvollerweise natürlich richtige Wörter – für die es wie beim “Scrabble” schließlich Punkte gibt.

Subatomar (Schwerkraft 2018)

Eine Ebene tiefer schrauben wir aus bunten Quarks Atomkerne zusammen. Das Deckbauspiel von John J. Coveyou mit irre nerdiger Thematik.

Manhattan Project (Minion/Marabunta/Asmodee 2011ff.)

Und damit der (morbide) Spaß nicht zu kurz kommt: Was tun mit all dem Atomzeug? Was fangen wir an mit Uran-Isotopen oder gar mit künstlichem Plutonium? Na: Was schon! Willkommen bei “Manhattan Project” (und Klonen), dem Marabunta-Aufbaustrategiespiel rund um “Yellow Cake” und “Kühlwasserreaktor” (auch hier nochmal)! Schon die wichtige Ladung Deuterium gebucht – oder setzen wir auf Graphit? Und haben wir genug Fighter, um unser Los Alamos samt Forschern und Material vor feindlichen Bombern zu schützen?

Auch hier sollte man nicht zu traurig sein über entgangene Siegpunkte, denn an deren Verteilmechanik hapert es bei diesem sonst recht ausgewogenen Arbeitereinsetzspiel genau wie in “Scoville”: Bekommt man den einen fetten Siegpunktebringer vor den Nasen der Mitspielerinnen weggeschnappt – oder bleibt einem nur das (nicht minder teure) Kleinzeug? Hier sollten Neuauflagen/Erweiterungen oder notfalls Hausregeln noch etwas nacharbeiten. Ach, hatten wir schon eine Rezension verlinkt?

Arbeiter-Einsetz und Entwicklung (von Atombomben)

Ausgewogenheit: 2-3

Interaktion: 2-3

Spannung: 4-5

Schachvarianten

Schach ist uralt, Schach ist megacool, Schach ist Hochkultur par excellence, auch wenn der “Point of no return” der KI-Siege schon eine Weile überschritten ist (auch Go ist inzwischen so weit). Auf der SPIEL in Essen sind die Stände des Schachverbands Nordrhein-Westfalen mit die größten Publikumsmagneten – nicht nur wegen der vielen sehens- und testenswerten Varianten, sondern vor allem wegen des jährlichen Ultraschach-Turniers: Neunhunderneunundneunzig 90-Sekunden-Partien (oder waren es gar nur 60?) in dreieinhalb Tagen – das ist Sport, das ist Spannung, das ist Sucht, das ist vom Allerfeinsten. Hier ein paar Anregungen für Varianten des beliebten Klassikers:

3-Personen-Schach

Die hexagonale 3-Personen-Variante ist bei uns vorhanden. Die obigen Taktikhinweise sind sicher hilfreich, denn statt Logik und Deduktion stehen hier die “Social Skills” weit im Vordergrund.

Tanz-Schach (Pako Sako)

Das Tanz- oder, original auf Esperanto: Friedens-Schach von Felix Albers aus den Niederlanden fesselt mich besonders, weil es sich anders spielt als das Original. Statt einander zu schlagen, “umärmeln” die gegnerischen Figuren einander und tanzen fürderhin gemeinsam über’s Spielbrett. Diese Pärchen lassen sich nur durch Abklatschen wieder lösen. Um den König zu bedrohen, muß man also Ereignisketten bilden, was die taktische Vielfalt noch einmal potenziert. Dafür haben wir eigens designte Kunststoff-Figuren (kann man auch in farbig bestellen), die wirklich hübsche Tanzpaare abgeben.

Quantenschach

Außerdem existieren – leider (noch) nicht in unserer Ludothek – runde Versionen (teilweise nur mit Bauern, Läufern und Damen), 3-D-Bretter mit taktischen Finessen, Team- als auch Mehrspieler-Varianten und natürlich das berühmte Star-Trek-3D-Schach. Vieles davon läßt sich mit Handwerksgeschick und etwas Phantasie selber kreieren. Oder man macht es gleich wie Sheldon Cooper und erfindet ein paar eigene Figuren und/oder Zug-Varianten.

ZEICHEN-SPIELE

Das Zeichnen gilt als ursprünglichste unserer abstrakten Ausdrucksformen. Wir staunen über die Höhlenmalereien der Urzeit oder darüber, daß wir uns weltweit trotz verschiedenster Sprachen und Kulturen mit wenigen Symbolen und ikonischen Ausdrücken verständigen können. Und welch ein Aha-Erlebnis, wenn wir aus wenigen Bleistiftstrichen erkennen, was die Andere uns gerade mitteilen will! Kein Wunder, daß das Zeichnen die Spielewelt erobert hat, und zwar schon längst vor der digitalen (mit ihren Icons, Smileys und Emojis). Von kleinen Kritzeleien in der Schulstunde oder beim Warten im Restaurant à la “Käsekästchen”, “Tic-Tac-Toe”, “Misthaufen” und “Schiffe versenken” bis zum Partyknaller rund um’s Begriffe Raten (bzw. Erklären), ob koop oder kompetitiv – es hält uns im Bann, sorgt für kreative Stunden und Heiterkeit ohne Ende*. (*Stichwort: “Tee-Nager”)

Pictionary (Parker 1993/Mattel 2014)

“Pictionary” ist der Partyspiel-Klassiker rund um’s Zeichnen – mittlerweile in mehreren Auflagen und Variationen. In verschiedenen (meist 2er-) Teams treten die Spielerinnen gegeneinander an, um mittels des wechselseitigen Erklärens und Erratens von Begriffen Punkte zu ergattern oder (wenn man es besonders kompetitiv mag) einen Spielplan zu umrunden. Das läuft in der Ur-Variante noch mit lockeren Regeln ab: Es gibt reichlich Zeit; man darf so oft raten, wie man möchte; Hinweise zu geben (“Ja, ja, auf dieser Spur weiter!”) ist nicht direkt verboten… Hier kann jede Runde natürlich für sich nachschärfen – vor allem, wenn die Karten schon hinlänglich vertraut sind.

Abwechselnd erklärt eine Partnerin schweigend mit Bleistift und Papier, während die andere raten muß, was da gezeichnet wird. Besonders witzig wird das Ganze durch die zahlreichen heftigen Abstrakta, bei denen Zeichnerin und Raterin erst um die Ecke denken müssen, um überhaupt eine Visualisierung einschl. des Rückwegs zu finden; gemein sind auch die Verben. Und der “Alle spielen!” Modus bringt besondere Würze, wenn entweder alle Teams gleichzeitig agieren oder alle gleichzeitig raten dürfen.

Neueste Variante aus der Deppenschmiede Mattel (Die Firma steht für Highlights wie “Mr. Pups”, “Mr. Kacka” und “Pipi-Alarm”! Auf der SPIEL in Essen sorgt ihre Präsenz jedes Jahr für gewissen Unmut unter den Besuchern, aber als einem der größten – und skandalunwittertsten – Retailer von Spielwaren v.a. im Plastikbereich kann man ihr das Zahlen für den Stellplatz nicht verbieten.) ist “Pictionary Air” mit allerlei Technik-Crossover-Klimbim. Hier zeichnet die Erklärerin nur in die Luft und sieht selbst nicht ihr Werk, kann es auch nicht (oder nur mühevoll) korrigieren. Aus dem entstehenden Fadengewirr des Monitors dürfen die Betrachter dann den Begriff erraten. Etwas für Technik-Affine und Modebegeisterte, auch wenn die Idee an sich nicht verkehrt ist.

Party-Spiele wie “Activity” (besonders beliebt in den “Erwachsenen”-Versionen 18+) variieren das Zeichen-Thema und kombinieren es mit allerlei anderen Ausdrucksformen wie etwa Lautmalerei, Standbild, Pantomime usw., um Begriffe zu gestalten.

 

The Cat Game – Das haarsträubende Zeichenspiel (Spin Master 2018)

Der Mode des (abwaschbaren) Whiteboardmarkers (jetzt überall anzutreffen, z.B. im Spiel des Jahres 2019 “Just One”) verdanken wir eine Erweiterung des “Erklären-durch-Zeichnen”-Modus: Unter transparenten Folien werden schon vorhandene Bildchen aufgereiht, die die eigene Strich-Kunst dann nur noch abwandeln, erweitern und kombinieren muß. Dafür kann man natürlich eigene Shilouetten, Baby-Bilder oder Comic-Figuren nehmen. In der Schachtel finden wir zu diesem Zweck 15 ur-komische und süße Katzen-Photos in allen möglichen Posen. Eine starke Idee! Kleiner Kritikpunkt: Die zu erklärenden Begriffe sind ein wenig zu modisch und neu-sprech-artig geraten; Kinder können oft gar nichts damit anfangen, wenn sie nicht viel RTL oder RTL 2 sehen. Dem läßt sich mit einfachen Tabu- oder Pictionary-Karten jedoch leicht abhelfen.

 

Subtext (Edition Spielwiese/Pegasus 2019)

Das kleine Party-Spiel von Viel-Autor Wolfgang Warsch hat es in sich, denn ein paar Regel-Kniffe heben es aus der grauen Menge der “Pictionary”-Klone wohltuend heraus: Außer der Erklärerin erhält Jede am Tisch eine Begriffskarte und darf dazu ein Kunstwerk (alternativ: Ein Wort- oder Textfragment nach “Just-One”-Prinzip) anfertigen. Die Picasso-Karte wird dabei weitergegeben, so daß zwei Leute den gleichen Begriff darstellen. Der muß dabei gar nicht unbedingt erraten werden; es geht für die Runde nur darum festzustellen, wer die geheime Partnerin der Erklärbärin ist, welche beiden also die Picasso-Karte hatten!

Das bringt viel Witz und noch mehr Skill, denn zu offensichtlich darf man sich hier nicht outen – es läuft (anders als bei Just One) kompetitiv ab! Wie schwammig kann ich also bleiben, um Andere auf falsche Fährten zu locken – und wie eindeutig-subtextig muß ich sein, damit meine Partnerin mich erkennt? Auch hier bescheren die Abstrakta und Verben einen besonderen Reiz. Tip: Nicht zu ernst nehmen! Bei dieser Art von Spielen geht es nicht ums “Gewinnen”, sondern um den Spaß!

 

Identik/Meisterwerke (Asmodee 2009)

Wer es richtig crazy mag, ist richtig bei Identik (so der ursprüngliche internationale Titel, neu aufgelegt und leicht lokalisiert unter “Meisterwerke” bzw. frz. “Duplik”). Hier zieht die Erklärerin ein schon fertiges Kunstwerk samt Titel, das sie in kurzer Zeit möglichst detailgetreu zu beschreiben hat. Die Anderen hören und lauschen – und bringen zu Papier, was ihnen da vorgegeben wird, so daß am Ende eine Reihe von Duplikaten auf dem Tisch zu finden ist. Oder etwa nicht? Natürlich reicht die Zeit nie aus, und was da zustandekommt, sind oft wirklich höchst witzige und anspruchsvolle, aber doch armselige Versuche, sich dem Ursprungswerk anzunähern. Hier gibt es schon den ersten Lach-Erfolg.

Dann folgt der Ableich mit dem Original. Und jetzt die gute Nachricht: Es geht nicht um Exaktheit! Um küstlerisches Vermögen schon gar nicht oder ästhetischen Ausdruck. Es kommt nur auf ein paar (i.d.R. zehn) Merkmale an, die man während der Schnellzeichenrunde möglichst berücksichtigt und entsprechend eingebaut haben möchte – weil man sie noch im Ohr hatte, weil sie einem vor Augen standen oder einfach aus Zufall.

Auch hier gilt: Es geht um den Spaß! Wer hauptsächlich gewinnen will, greift zu “Mensch-ärgere-dich-nicht”. Denn die “Bewertungen” der einzelnen Machwerke nach den gegebenen Kriterien fällt naturgemäß doch reichlich subjektiv aus: Sollen das 3 Haare sein, oder ist eins davon doch nur Fliegendreck? Wer sich mit reichlich Humor darauf einläßt, wird mit einem spannenen und witzigen Abend beschenkt.

Der Titel gilt als vergriffen; wer durch Glück darauf zukommt, macht nichts verkehrt! Das gilt erst recht für die Zuatzkarten-Erweiterungen.

Civilisation (Diverse Publisher seit 1980)

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Civilisation (Diverse Publisher seit 1980)

2019 endete die Erdenzeit vieler bedeutender Menschen. Die Spiele-Welt nahm am 23.Oktober, einen Tag vor der SPIEL ’19, Abschied von Francis Tresham. Als hierzulande „Ravensburger“ und „Parker“ die einzigen nennenswerten Retailer waren und die Familien sich noch mit Malefiz und „Hase und Igel“ vergnügten (immerhin dem allerersten „Spiel des Jahres“ von 1979), brachte der britische Visionär (später vor allem für die „18XX“-Eisenbahn- und Aktien-Reihe berühmt) mit „Civilisation“ das wohl nachhaltigste – und zeitschlingendste – Spielekonzept der Welt heraus. Es ist diese Ursprungs-Version, auf der die Sid-Meier-Videospielreihe fußt, die bis heute ganze Generationen in Bann hält, mittlerweile in der 6.Weiterentwicklung. Die Firma MicroProse übernahm 1998 sogar Treshams Selbstverlag Hartland Trefoil – nur um der Namensrechte willen. Ungezählt sind die Klone, Varianten und abgespeckten Entwicklungsspiele, die allesamt auf dem ursprünglichen „4X“-Konzept basieren. Mit „Age of Empires“ gilt das im Grunde auch für die gesamte Echtzeitstrategie.

Vom IBM-PC fand das Spiel zurück auf die analogen Tische. Verschiedene Adaptionen versuchten, unterschiedliche Aspekte der Sid-Meier-Videotitel im Brettspiel einzufangen. Und immer noch wird fleißig neu entwickelt und wieder aufgelegt.

Wir sind stolz, das ursprüngliche „Civilisation“ präsentieren zu können, wenn auch ohne die viel gelobten Avalon-Hill-Optimierungen – mittlerweile auch in einer (etwas abgespeckten) deutschen Version, die die Wiener Spielkartenschmiede Piatnik 1988 anhand der Gibson-Games-Lizenzausgabe besorgte. Gut sortierten Flohmärkten sei dank!

Wir verfügen auch über das berüchtigte „Mega-Civilisation“ von 2015 (Pegasus/999 Games), das alle je herausgebrachten Erweiterungen zum Original für bis zu 18 Spielerinnen in einer 11 kg schweren Holzkiste in einer Auflage von nur 1.000 Stück vereinigt.  Mittlerweile wird an einer zweigeteilten Neuausgabe gefeilt, deren erster Teil unter dem Titel „Western Empires“ 2020 erscheinen soll.

Außerdem gibt es Kevin Wilsons großartiges (nur etwa unausgewogenes) „Civilisation“ von Fantasy Flight (2010, deutsch 2011) mit zwei Erweiterungen (siehe auch hier), das sich umfangreich an die 4.Edition des PC-„Civ“ anlehnt, eine extrem miniaturenlastige Ausgabe „Sid Meiers Civilisation – The Board Game“ von Glenn Drover (Eagle Games 2002) als Adaption der 3.Edition und „Ein neues Zeitalter“ mit der Optik der 6.Edition, aber einem völlig eigenständigen und viel übersichtlicheren Spielgefühl, in dem es nicht um „4X“ in allen Aspekten geht, sondern nur um Area-Control.

 

“4X” – das heißt:

– entdecken

– entwickeln

– ausbreiten

– erobern

… und das bis zum Gehtnichtmehr.

Everdell (Starling Games 2018)

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Everdell (Starling Games 2018)

Wie erleben die Tiere des Waldes ihr Jahr? Sie sammeln Vorräte; sie errichten Heime, Bildungsstätten und Gemeinschaftshäuser; sie sammeln sich zu produktiven Partnerschaften. Bis es wieder Winter wird und alle zur Ruhe gehen – sprich: Bis wir Spielerinnen unsere Siegpunkte zählen.

Willkommen bei Everdell! Das amerikanische Euro-Game präsentiert sich (genau wie “Flügelschlag”) in faszinierender, auffällig sorgfältiger Aufmachung: Ausgeklebter Schachteldeckel, Kunststoff-Beeren und -Zweiglein, Bern- und Kieselsteine, ein übersichtlicher Spiel-/Ablageplan mit Aussparungen für Erweiterungen und ein 3-D-Zauberbaum, der im Spiel zwar keine Funktion hat, aber optisch fast schon den Hingucker bildet. Wenn da nicht noch die Karten wären! Sie sind der Star dieses Spiels; ihre – beinahe schon an “Agra” gemahnende – Optik atmet Liebe und Magie; sie ziehen uns hinein in dieses Tal, in dem Mäuse, Dachse, Eulen, Wiesel & Co. friedlich zusammenleben.

Technisch handelt es sich um ein Deck-Auslagespiel ähnlich Rommé oder “Elysium“: Die ausliegenden Kartenkombinationen geben Boni und Siegpunkte. Verknüpft wird das mit einer netten Ressourcen-Mechanik, die “Everdell” letztlich doch zum Brettspiel macht.

Über vier Jahreszeiten hinweg sammeln wir Charakter-Karten und zugehörige Gebäude. Dabei spielt der Zufall eine Rolle, und auch die Interaktion kommt nicht zu kurz. Wer schon bestimmte Tiere in seiner Stadt versammelt hat, kommt günstiger an die Häuser, und die verleihen Boni. Auch am Ende der Jahreszeiten und bei der Zwischenwertung bestimmter Kartentypen kommen wir an zusätzliche Rohstoffe, Münzen und Punkte. Manchmal sind auch die Tiere auf der Suche nach einander wie Ehefrau und Ehemann.

Fazit: Ein nicht zu komplexes Familien- und Kennerspiel mit etwas Glück und viel Flair. Hoffentlich werden auch die Erweiterungen lokalisiert auf deutsch erscheinen!

Karten-Kombi-Ausleger mit Arbeitereinsetz

Layout: 5

Interaktion: 2-3

Glück: 3

Dinosaur Island (Feuerland 2019)

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Dinosaur Island (Feuerland 2019)

Pop is back – und mit Steven Spielberg einer seiner Meister. Feuerland brachte 2019 die knallbunte Version seiner “Jurassic”-Serie auf die analogen Spieltische. Wobei der Titel sich eher an dem entsprechenden Videospiel orientiert als an der Filmreihe – mit einer superschweren, prallvoll gepackten Schachtel voller Gehege, Labore, Evolutionswürfel und rosafarbener Dinosaurier aus dem 3-D-Drucker, die alle flüstern: “Ab in den nächsten Schleich-Laden und nochmal aufgerüstet!”

Unsere Aufgabe: Einen Freizeitpark einrichten, Besucherinnen anlocken und Geld verdienen. Dazu klonen wir aus verschiedenen basalen und komplexen DNS-Resten echte Dinosaurier, leider nicht zu Forschungszwecken, sondern – sehr menschlich – für schnöden Kommerz durch Attraktionen. Na warte – das rächt sich noch!

Da muß also DNS zusammengeklaubt oder im Darknet besorgt werden, das Kaltlager ausgebaut und in Schuß gehalten, schließlich die nötigen Labore und Gehege eingerichtet, Spezialisten angeheuert, Stellplätze für die Tiere geschaffen und Attraktionen für die Gäste angeschafft – einschließlich Achterbahn, Pommesbude und Souvenir-Verkauf. Dann öffnen die Kassenhäuschen und… – o weh: Rowdies überschwemmen das Gelände, die nicht daran denken, einen Pfennig ehrlich zu bezahlen. Lange Schlangen bilden sich, weil unsere Marketingabteilung zu ehrgeizig war und für die eine armselige Kreatur in unserem Mini-Gehege zu viel versprochen hat. Und dann noch der Streik der Sicherheitskräfte: Da bechen selbst die Pflanzenfresser regelmäßig aus und lassen sich die Parkbesucher munden! Bloß gut, daß das in der nächsten Runde noch mehr Gaffer anlockt…

Dinosaur Island ist ein hochwertig produziertes anspruchsvolles Kennerspiel, das mit viel Humor eine Reihe von Taktiken anbietet. Wie so oft, kommt es auf deren Verzahnung an. Spieler-Reihenfolge, Kaltlagergröße, Zugriff auf wertvolle Tierarten, Besucherzahl, Geld und Glücksfaktor spielen eine Rolle. Positiv fiel mir die sorgfältige Lokalisierung durch Feuerland auf, die den Grundstoff des Dino-Klonens richtig mit “DNS” übersetzt, wo der übrige Sprachraum sich schon seit Jahren gedankenlos mit “DNA” (Acid statt Säure) abgibt.

Aufbauspiel mit Arbeitereinsetz und Ressourcenmanagement

Opulenz: 5

Ausgewogenheit: 3

Glück: 3-4

Spaß: 4